Im Folgenden werden die genetischen Eigenschaften, das Vorkommen und das Risikoprofil der als VOC eingestuften Omikron-Subvarianten BA.1, BA.1.1, BA.2, BA.3, BA.4 und BA.5 dargestellt.
In allen Omikron-Subvarianten vorhandene problematische Mutationen: Y505H, N786K, T95I, N211I, N856K, V213R [68]
Mutationen: | 33 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [1] |
Erste Detektion: | November 2021 in Botswana [2] |
Risiko: | bessere Übertragbarkeit [3], Immunevasion [4] |
Vorkommen in D: | vorhanden, Anteil rückläufig [5] |
Vorkommen in M-V: | vorhanden, Anteil rückläufig [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen
Mutationen in der Rezeptor-Binde-Domäne (RBD) haben einen großen Einfluss auf die Eigenschaften des Coronavirus. Als Beispiel ist hier S371L zu nennen, eine Mutation, welche sowohl bei BA.1 als auch bei BA.1.1 auftritt. Sie verringert die Stabilität der RBD und dadurch auch die Fähigkeit von Antikörpern, das Epitop des Spikeproteins zu erkennen. Die Mutation N856K tritt ebenso bei beiden Subvarianten auf (BA.1, BA.1.1). Des Weiteren sind außerhalb des Spikeproteins Mutationen vorhanden, welche die Eigenschaften des Virus beeinflussen. Neben den gemeinsamen Mutationen mit den anderen Omikron-Subvarianten weist BA.1 dort sechs spezifische Mutationen auf [7,8]. ^1
Weitere charakteristische Mutationen:
S371L, Q496S, T547K, N856K, L981F [1]
D3G, K38R, 1265 + L1266I, A1892T, I189V [7]
Vorkommen und Verbreitung:
BA.1 ist bereits in 164 Ländern und 57 US-Staaten nachgewiesen worden. Weltweit wurden über 480.900 Isolate durch Sequenzierung als BA.1 bestätigt, davon ca. 22.374 in Deutschland [9]. In der KW 2 2022 lag der Anteil von BA.1 mit 46,9 % in Deutschland am höchsten, seitdem nahm die Zahl jedoch ab. In KW 22 entsprachen nur noch 0,2% aller detektierten Sequenzen BA.1 [14].
Risikoprofil:
Im Vergleich zur Delta-Variante weist Omikron (BA.1 und BA.2) eine kürzere Generationszeit und eine höhere Reproduktionszahl auf [10].
Eine Studie aus Jordanien wies einen milderen Verlauf von BA.1 im Vergleich zu früheren Infektionen nach. Dort traten Symptome wie Fieber, Husten oder Halsschmerzen auf [7]. ^1
^1 Diese Studien sind als Preprint veröffentlicht und noch nicht unabhängig begutachtet worden.
Mutationen: | 34 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [1] |
Erste Detektion: | September 2021 in Botswana [42] |
Risiko: | Immunevasion [11], Übertragungsvorteil [12] |
Vorkommen in D: | kaum noch vorhanden [5] |
Vorkommen in M-V: | nicht mehr nachgewiesen (seit KW 18) [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen:
Neben den bei BA.1 vorkommenden Mutationen besitzt BA.1.1 noch eine zusätzliche Mutation im Spikeprotein, R346K, welche auch in der Mu-Variante zu finden ist. Sie könnte Einfluss auf die Neutralisierung haben, da R346K ein Kontaktstück für Antikörper wie COV2-2130, REGN10987 und S309(sotrovimab) ist [4]. In einer Studie konnte jedoch eine Neutralisierung eines Pseudovirus mit der R346K Mutation durch den Antikörper Sotrovimab nachgewiesen werden. Die anderen beiden Antikörper und auch Antikörper aus anderen Klassen waren gegen BA.1.1 inaktiv [11,12]. Außerhalb des Spikeproteins weist BA.1.1 im Vergleich zu BA.1 keine zusätzlichen Mutationen auf [7].
Weitere charakteristische Mutationen: /
Vorkommen und Verbreitung:
Weltweit wurde BA.1.1 in über 162 Ländern und 57 US-Staaten durch Sequenzierung in über 931.824 Isolaten bestätigt, davon allein in über 58.387 Isolate in Deutschland [13]. Aktuell befindet sich diese Variante durch BA.2 im Rückgang. Während BA.1.1 in Deutschland in KW 5 noch einen Anteil von etwa 48% aller detektierten Sequenzen ausmachte, waren es in KW 22 nur noch ca. 0,1% [14].
Risikoprofil:
Das Risikoprofil entspricht im Wesentlichen dem der Subvariante BA.1. Zudem hat BA.1.1. einen Übertragungsvorteil gegenüber BA.1. [8]
Mutationen: | 29 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [1] |
Erste Detektion: | November 2021 in Südafrika [2] |
Risiko: | kürzeres serielles Intervall [10], Immunevasion [16], Übertragungsvorteil [17], Reinfektion möglich [18] |
Vorkommen in D: | dominierend [5] |
Vorkommen in M-V: | dominierend [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen:
BA.2 weist im Gegensatz zu BA.1 keine Deletion Δ69-70 auf, welche den SGTF „Spike Gene Target Failure“^1 verursacht und gilt deshalb als SGTF-positiv. SGTF wurde sonst zum Nachweis der Omikron-Variante genutzt. [19]
Ein Beispiel einer Spikeproteinmutation ist S371F. Es wird vermutet, dass durch S371F einige neutralisierende Antikörper unwirksam sind. Es liegen weitere 11, für BA.2 spezifische, Spikeprotein-unabhängige Mutationen vor [7].
Anhand einer US-Studie waren bei der Neutralisierung von BA.2 durch monoklonale Antikörper 17 von 19 Antikörpern inaktiv oder stark beeinträchtigt. Während S309 (sotrovimab) gegen BA.1 und BA.1.1 noch Aktivität zeigte, war die Aktivität gegen BA.2 um das 27-fache gesunken. Nur der Antikörper LY-CoV1404(bebtelovimab) war gegen alle Omikron-Subvarianten aktiv. [16]
Weitere charakteristische Mutationen:
T19I, L24S, Del25/27, V213G, T376A, R408S [1]
S413R, S135R, T24I, G489S, L264F, T327I, L438F, F108L, R392C, T112I, T223I, D61L [7]
Vorkommen und Verbreitung:
BA.2 hatte sich rasch verbreitet. Allein in Deutschland lag der Anteil von BA.2 in KW 18 bei 97,4 %. Sie wurde jedoch von BA.5 abgelöst [5]. Weltweit wurden bereits über 1.034.655 Isolate durch Sequenzierung in 136 Ländern und 57 US-Staaten bestätigt [20].
Risikoprofil:
BA.2 ist im Vergleich zu BA.1 durch eine höhere Übertragbarkeit und einer höheren sekundären Angriffsrate gekennzeichnet. Die Studie aus Dänemark zeigte ebenfalls, dass bei Geimpften sowie Geboosterten eine höhere Wahrscheinlichkeit einer BA.2-Infektion vorliegt. [17]
In einer anderen Studie wurde die Reinfektion durch BA.2 nach einer BA.1-Infektion untersucht. Es traten sehr selten Fälle auf [18]. Der klinische Schweregrad unterscheidet sich dabei nicht von BA.1 [21]. Genau wie bei der BA.1- ist auch die BA.2-Variante durch eine kürzere Generationszeit und eine höhere Reproduktionszahl gekennzeichnet [10]. ^2
^1 STGF ist definiert als ein PCR-Test, bei dem die N- und ORF1ab-Gene nachgewiesen werden, das S-Gen jedoch nicht.
^2 Diese Studien sind als Preprint veröffentlicht und noch nicht unabhängig begutachtet worden.
Mutationen: | 30 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [7] |
Erste Detektion: | November 2021 in Südafrika [2] |
Risiko: | / |
Vorkommen in D: | geringes bis kein Vorkommen [22] |
Vorkommen in M-V: | erster Verdachtsfall (Probe aus KW 10) [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen:
BA.3 weist zum einen 31 Mutationen im Spikeprotein auf, welche auch bei BA.1 vorkommen, zum anderen zwei weitere Mutationen, die ebenso bei BA.2 auftreten [2]. In einer im Preprint veröffentlichten Studie wurde die Antikörper-Resistenz von BA.3 untersucht. Monoklonale Antikörper (ADG-2 und 2-36) besitzen keine Neutralisations-Aktivität gegen BA.3. Auch der Antikörper S309 (sotrovimab), welcher bei der ursprünglichen Omikron-Variante seine Aktivität behielt, zeigte eine Reduktion dieser. [23]
Weitere charakteristische Mutationen:
A88V [7], R216del [8]
Vorkommen und Verbreitung:
Im Vergleich zu den Omikron-Subvarianten BA.1 und BA.2 ist BA.3 am geringsten verbreitet. Weltweit wurden bis zum 20.06.2022 681 Isolate durch Sequenzierung bestätigt, davon 27 Isolate in Deutschland. Insgesamt wurde die Variante in 36 Ländern und 14 US-Staaten nachgewiesen. [22] Die langsamere Verbreitung von BA.3 wird durch den Verlust von Mutationen, die in der Subvariante BA.1 vorkommen oder durch den Erwerb zweier weiterer Mutationen, welche bei der BA.2-Variante vorliegen, vorläufig begründet [2].
Risikoprofil:
Aufgrund der wenigen Sequenzierungsdaten zu BA.3 konnte noch kein Risikoprofil erstellt werden.
Mutationen: | 31 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [1] |
Erste Detektion: | Januar 2022 in Südafrika [24] |
Risiko: | / |
Vorkommen in D: | nachgewiesen [5] |
Vorkommen in M-V: | erstmals in KW 19 nachgewiesen [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen:
BA.4 weist alle Mutationen bzw. Deletionen auf, welche ebenfalls in der Subvariante BA.2 vorkommen, mit Ausnahme von del69/70, L452R, F486V und der Wildtyp Aminosäure an Stelle Q493. Aufgrund der Deletion 69/70 ist BA.4 SGTF (Spike Gene Target Failure). [25]
Weitere charakteristische Mutationen:
Del69/70, L452R, F486V, Q493 (WT), ORF6: D6 (WT), ORF7b: L11F, N: P151S [24]
Vorkommen und Verbreitung:
BA.4 wurde zum ersten Mal im Januar 2022 in Südafrika nachgewiesen. Seitdem wurden bis zum 20.06.2022 insgesamt 10.812 Sequenzierungsergebnisse nachgewiesen, von denen die meisten in Südafrika auftraten[26]. Bis zum 10.05.2022 wurde sie in 20 Ländern und 29 US-Staaten gemeldet [26].
Risikoprofil:
Aufgrund der wenigen Sequenzierungsdaten zu BA.4 konnte noch kein Risikoprofil erstellt werden. Jedoch ersetzten BA.4 und BA.5 in Südafrika schnell BA.2, sodass aktuell über 50% der Sequenzierungen diesen beiden Subvarianten zugeordnet werden können. Dies lässt auf eine bessere Übertragbarkeit schließen[25].
Mutationen: | 31 Aminosäureänderungen am Spikeprotein [27] |
Erste Detektion: | Februar 2022 in Südafrika [24] |
Risiko: | / |
Vorkommen in D: | selten nachgewiesen [27] |
Vorkommen in M-V: | erstmals in KW 19 nachgewiesen [6] |
Genetische Eigenschaften und Charakterisierungen:
BA.5 weist die gleichen Mutationen auf wie BA.4, mit Ausnahme der folgenden charakteristischen Mutationen. [1]
Weitere charakteristische Mutationen:
D3N, ORF7b: L11 (WT), P151 (WT), synonymous SNPs: A27038G, C27889T [24]
Vorkommen und Verbreitung:
In der 18. Kalenderwoche wurde in Deutschland bei 1,4% der untersuchten SARS-CoV-2-Fälle BA.5 nachgewiesen [1]. In Südafrika ist BA.5 am häufigsten vertreten. Bis zum 10.05.2022 wurden in 19 Ländern und 26 US-Staaten BA.5-Nachweise gemeldet [27].
Risikoprofil:
Aufgrund der wenigen Sequenzierungsdaten zu BA.5 konnte noch kein Risikoprofil erstellt werden. Auch bei dieser Subvariante konnte beobachtet werden, dass sie zusammen mit BA.4 in Südafrika die BA.2-Variante ersetzte, sodass aktuell über 50% der Sequenzierungen diesen beiden Subvarianten zugeordnet werden können. Dies lässt auf eine bessere Übertragbarkeit schließen[25].
[1] Wöchentlicher Lagebericht des RKI (letztmalig aufgerufen am 25.04.2022)
[2] Aktueller Wochenbericht des CoMV-Gen-Studienzentrums (letztmalig aufgerufen am 29.03.2022)
[3] RKI - Coronavirus SARS-CoV-2: Virologische Basisdaten sowie Virusvarianten (letztmalig aufgerufen am 10.03.2022)
[4] GISAID - hCov19 Variants (letztmalig aufgerufen am 10.03.2022)
[5] RKI – Coronavirus SARS-CoV-2: Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC) (letztmalig aufgerufen am 25.04.2022)
[6] Desingu, P.A. et al. (2022) Emergence of Omicron thirs lineage BA.3 and its importance, DOI: 10.1002/jmv.27601 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[7] outbreak.info, BA.3 Lineage Report (letztmalig aufgerufen am 25.04.2022)
[8] SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation (publishing.service.gov.uk); Technical briefing 35 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[9] outbreak.info, lineage comparison (letztmalig aufgerufen am 30.03.2022)
[10] outbreak.info, BA.2 Lineage Report (letztmalig aufgerufen am 30.03.2022)
[11] Stegger, M. et al. (2022) Occurrence and significance of Omicron BA.1 infection followed by BA.2 reinfection, DOI: 10.1101/2022.02.19.22271112 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[12] VanBlargan, L.A. et al. (2022) An infectious SARS-CoV-2 B.1.1.529 Omicron virus escapes neutralization by therapeutic monoclonal antibodies, DOI: 10.1038/s41591-021-01678-y (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[13] Cameroni, E. et al. (2022) Broadly neutralizing antibodies overcome SARS-CoV-2 Omicron antigenic shift, DOI: 10.1038/s41586-021-04386-2 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[14] Public Health England. SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England - Technical briefing 36 (2022) (letztmalig aufgerufen am 01.04.2022)
[15] Iketani S et al. Antibody evasion properties of SARS-CoV-2 Omicron sublineages, DOI: 10.1038/s41586-022-04594-4 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[16] Liu, L. et al. (2022) Striking antibody evasion manifested by the Omicron variant of SARS-CoV-2, DOI: 10.1038/s41586-021-04388-0 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[17] outbreak.info, BA.1.1 Lineage Report (letztmalig aufgerufen am 25.04.2022)
[18] outbreak.info, BA.1 Lineage Report (letztmalig aufgerufen am 04.04.2022)
[19] Plesner Lyngse, F. et al. (2022) Transmission of SARS-CoV-2 Omicron VOC subvariants BA.1 and BA.2: Evidence from Danish Households, DOI: 10.1101/2022.01.28.22270044 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[20] Wolter, N. et al. (2022) Clinical severity of Omicron sub-lineage BA.2 compared to BA.1 in South Africa, DOI: 10.1101/2022.02.17.22271030 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[21] Abbas, Q. et al. (2022) Follow-up investigation and detailed mutational characterization of the SARS-CoV-2 Omicron variant lineages (BA.1, BA.2, BA.3 and BA.1.1), DOI: 10.1101/2022.02.25.481941 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[22] Ito, K. et al. (2022) Estimating relative generation times and relative reproduction numbers of Omicron BA.1 and BA.2 with respect to Delta in Denmark, DOI: 10.1101/2022.03.02.22271767 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[23] Kumar, S. et al. (2022) Omicron (BA.1) and Sub-Variants (BA.1, BA.2 and BA.3) of SARS-CoV-2 Spike Infectivity and Pathogenicity: A Comparative Sequence and Structural-based Computational Assessment, DOI: 10.1101/2022.02.11.480029 (letztmalig aufgerufen am 07.04.2022)
[24] Public Health England. SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England - Technical briefing 32 (2022) (letztmalig aufgerufen am 21.04.2022)
[25] Public Health England. SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England - Technical briefing 40 (2022) (letztmalig aufgerufen am 21.04.2022)
[26] outbreak.info, BA.5 Lineage Report (letztmalig aufgerufen am 21.04.2022)
[27] outbreak.info, BA.4 Lineage Report (zuletzt aufgerufen am 21.04.2022)
[28] Tracking SARS-CoV-2 variants – XD variant (who.int)
[29] Public Health England. SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England - Technical briefing 39 (2022) (letztmalig aufgerufen am 21.04.2022)
[30] Jingwen Ai et al., Antibody Resistance of SARS-CoV-2 Omicron BA.1, BA.1.1, BA.2 and BA.3 Sub-lineages. bioRxiv 2022.04.07.487489; doi: https://doi.org/10.1101/2022.04.07.487489
[31] github - cov-lineages, issues 447 (letztmalig aufgerufen am 25.04.2022)
[32] github - cov-lineages, issues 472 (letztmalig aufgerufen am 26.04.2022)
[33] github - cov-lineages, issues 444 (letztmalig aufgerufen am 28.04.2022)
Stand: 22.06.2022